Klaus Albrecht Schröder Aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung «Hanns Kunitzberger. Die Orte der Bilder» «... Entschuldigen Sie mir, wenn ich als Kunsthistoriker natürlich reflexhaft, wenn ich diese Werke sehe, auch immer an Vorbilder denke oder zumindest assoziiere, was mir so in den Sinn kommt – vielleicht auch aus eigenen Ausstellungen: der späte William Turner. Der auch synästhetische, visuelle Ereignisse in Malerei, in Farbe umgesetzt hat, die letzten Endes den visuellen Anlassfall negligiert oder so sehr transformiert haben, dass er in seiner Realität nicht mehr greifbar ist. Gotthard Graubner habe ich genannt und müsste ich den größten unter den amerikanischen Expressionisten der New York School nennen, dann wäre es hier wahrscheinlich Rothko, Mark Rothko, der einem in den Sinn kommt. Auch mit Rothko teilt Hanns Kunitzberger wohl jene Sakralität, das Heiligende, dieses eigene Pathos dieser Kunst, das entsteht und das einen abermals – hier schließt sich fast ein Kreis – an einen Kirchenraum denken lässt. Es entsteht ein eigener Stimmungsraum, eine eigene Stille und Ruhe, auch eine innere Monumentalität, die nichts mit der Größe der Bilder zu tun hat, auch die kleinen Werke atmen jenen Geist der Monumentalität, der Transzendenz, die wir von wunderbaren Landkapellen oder eben vom Petersdom gewöhnt sind, von Marc Rothkos Chapel in Houston oder von dieser 'Kapelle' im Künstlerhaus (...) Einer der spannendsten, einer der interessantesten Maler, die ich überhaupt in den letzten Jahren, vielen Jahren kennengelernt habe, und mit dieser Ausstellung hat er uns noch einmal an eine Grenzerfahrung der Malerei erinnert. Wir glauben immer nur, dass in den Bildern etwas dargestellt ist, aber schon Arnold Schönberg wusste: ein Bild ist ein Bild, kein Stuhl. Oder Maurice Denis hat gesagt: "Lange, ehe wir einen Sessel oder ein Schlachtross darstellen, malen wir ein Bild". Die Eigengesetzlichkeit des Bildes steht im Vordergrund. Und da irritiert es dann auch nicht weiter, wenn diese Werke hier 'Bildnisse' sind und sich in der Tat in einer merkwürdigen Dialektik zwischen Abwesenheit und Anwesenheit ein Bildnis herausschält, ein Dreiviertelporträt, mitunter sogar der Rahmen innerhalb dessen dieses Bildnis wie eine Chimäre auftaucht. Und dann im nächsten Augenblick, kaum dass wir es gefasst haben und fixiert haben – ohne an Op-Art zu erinnern–, verschwindet das Bild auch wieder. Diese Illusion, dass Kunst etwas in Erscheinung bringt, ist eben eine Illusion. Das wissen wir seit über 100 Jahren, und aus dieser Einsicht gebiert Hanns Kunitzberger selbst Malerei. Reine Malerei, reine Farben, reine Stille, reine visuelle Erlebnisse, die gerade, weil sie so rein nur auf sich selbst wieder zurückverweisen, eben synästhetisch eine Klangwelt auslösen. Darum erscheint es mir bei aller Stille angemessen, dass mehr als das Wort über ihre Kunst die Musik oder die Literatur spricht. ...» Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina. Mai 2006. Aus dem Band «Hanns Kunitzberger. Die Orte der Bilder. Malerei.» |